Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 7/2014

Umsatzsteuer bei Bauleistungen wird gesetzlich neu geregelt

Als Reaktion auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. August 2013 und der dadurch entstandenen Unsicherheiten bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Bauleistungen hat der Bundesrat am 11. Juli 2014 dem sogenannten Kroatien-Gesetz zugestimmt und damit den Weg für eine Neuregelung freigemacht. Die Umsatzsteuer schuldet der Auftraggeber von Bauleistungen nur dann, wenn er eine Bescheinigung für Umsatzsteuerzwecke vorlegt, die seine Bauunternehmereigenschaft bestätigt. Bauträger fallen - dem Urteil des BFH folgend - auch nach der Gesetzesänderung nicht mehr unter diese Regelung. Die umsatzsteuerliche Behandlung der „Altumsätze“ bleibt unklar.

  1. Umsatzsteuerliche Behandlung von Bauleistungen ab dem 1. Oktober 2014

    Die gesetzliche Neuregelung soll vorbehaltlich der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten am 1. Oktober 2014 in Kraft treten. Bauleistungen unterliegen nur noch dann der umgekehrten Steuerschuldnerschaft nach § 13b Umsatzsteuergesetz, wenn der Auftraggeber (Leistungsempfänger) selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ihm sein zuständiges Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung der Leistungen gültige Bescheinigung ausstellt. Das Finanzamt soll sich dabei an einer 10 %-Grenze orientieren. Das heißt, sofern der Unternehmer mindestens 10 % seiner gesamten Umsätze mit Bauleistungen erzielt, soll das Finanzamt eine Bescheinigung mit höchstens dreijähriger Gültigkeit erteilen. Maßgeblich für die 10%-Grenze soll das letzte Jahr sein, für das bereits Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden sind. Bei Neugründungen wird auf den erwarteten Umsatz abgestellt.

    Im Vorfeld wurde diskutiert, die Bauträger wieder in die Regelungen der umgekehrten Steuerschuldnerschaft mit einzubeziehen. Dies ist nicht geschehen. Das heißt, Bauträger fallen definitiv nicht mehr unter die umgekehrte Steuerschuldnerschaft.

    Die Gesetzesänderung ist unseres Erachtens zu begrüßen, da sie Rechtssicherheit für die Bauwirtschaft schafft. Unternehmen, die selbst Bauleistungen erbringen, sollten die Bescheinigung bei Ihrem Finanzamt beantragen. Diese ist dann bei der Auftragsannahme dem Auftragnehmer auszuhändigen. Nur dann darf die Rechnung ohne Umsatzsteuer ausgestellt werden.

  2. Gesetzliche Regelungen für die Vergangenheit

    1. Gesetzesfassung

      Bauträger ohne Vorsteuerabzugsrecht können die in der Vergangenheit nach § 13b UStG an das Finanzamt gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern (Umsatzsteuer-Aktuell 4/2014 unter III.). Der Erstattungsanspruch wird - wie erwartet - vom Gesetzeber nicht in Frage gestellt.

      Allerdings wird darauf abgezielt, die Erstattungsbeträge bei den leistenden Unternehmen nachzuerheben, um einen fiskalisch nicht zu rechtfertigenden Schaden zu vermeiden. Hierzu vertritt der Gesetzgeber die Auffassung, dass der Vertrauensschutz nach § 176 Absatz 2 Abgabenordnung (Umsatzsteuer-Aktuell 4/2014, III. Nr. 2.) einer Änderung der Steuerbescheide bei den leistenden Unternehmen (die bisher unter Berufung auf § 13b UStG keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt haben) nicht entgegensteht.

      Des Weiteren können die für die leistenden Unternehmen zuständigen Finanzämter auf Antrag zulassen, dass diese ihren Anspruch gegenüber den Bauträgern an das Finanzamt abtreten. Die Abtretung soll an Zahlung statt wirken, was bedeutet, dass damit die Steuerschuld des Leistenden erlischt. Folgende Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden:

      1. Bauunternehmen müssen ihre Rechnungen ändern und Umsatzsteuer ausweisen.
      2. Bauunternehmen müssen einen Antrag bei ihrem Finanzamt stellen.
      3. Den Bauträgern muss die Abtretung unverzüglich angezeigt werden.
      4. Bauunternehmen müssen bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruches mitwirken.
      5. Die Abtretung an das Finanzamt muss wirksam bleiben.
      6. Das Bauunternehmen muss seiner Mitwirkungspflicht nachkommen


    2. Unsere Einschätzung

      Die Verankerung einer Regelung, mit der der Vertrauensschutztatbestand nach § 176 Absatz 2 Abgabenordnung offenkundig durchbrochen wird, stellt ein Novum im Umsatzsteuergesetz darf. Wir halten eine solche Vorgehensweise nicht für gerechtfertigt. Zumindest für bis Ende 2012, ggfs. sogar für die bis Ende September 2013 erbrachten Leistungen sollten sich die Unternehmer auf den Vertrauensschutz berufen können (Umsatzsteuer-Aktuell 4/2014, III. Nr. 2.). Es bleibt abzuwarten, ob die Durchbrechung dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung Bestand haben wird.

      Mit der Regelung zur Abtretung des Umsatzsteueranspruchs wird der Leistungserbringer u.E. zu Unrecht in den „Korrekturmodus“ für Altfälle einbezogen. Fiskalisch ist es zwar verständlich, dass die Finanzverwaltung Auszahlungen von irrtümlich erhobenen Steuerbeträgen beim Bauträger nur dann vornehmen will, wenn die Nacherhebung beim Leistenden gesichert ist. Allerdings hat der Leistende hieraus keinerlei Vorteil, weil er die gegenüber dem Bauträger geforderte Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hat. Für ihn stellt sich also die Frage, ob er der Korrektur überhaupt zustimmen soll. Dies ist insbesondere – aber nicht nur! – dann zu verneinen, wenn der Anspruch gegenüber dem Bauträger zivilrechtlich gar nicht geltend gemacht werden kann. Selbst wenn das Finanzamt die Abtretung annimmt, kann das bauleistende Unternehmen sich noch nicht sicher fühlen. Denn nach § 365 Bürgerliches Gesetzbuch haftet der Abtretende wie ein Verkäufer einer Forderung, wenn ein Mangel im Recht der Forderung vorliegt. Das heißt, selbst nach Jahren der Abtretung könnte das Finanzamt wieder mit Forderungen an die Bauunternehmen herantreten.


    3. Empfehlung

      Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Schlussfolgerung, dass das BFH-Urteil, welches sich zunächst als Grundlage für einen Geldsegen für die Bauträger abzeichnete, durch die Intervention des Gesetzgebers zum Risiko für die ausführenden Bauunternehmen geworden ist. Allen Unternehmen des Baugewerbes empfehlen wir dringend, Rechnungskorrekturen und Abtretungsvereinbarungen mit dem Finanzamt nicht ohne steuerliche Beratung durchzuführen. Das Für und Wider muss unbedingt für jeden Einzelfall abgewogen werden. Sorgfältig zu prüfen sind die Auswirkungen bei Anzahlungen, Teilleistungen und Schlussrechnungen, die Bauleistungen der „Altzeit“ (vor Ergehen des Urteils) und der „Übergangszeit“ (bis zur Neuregelung per 1. Oktober 2014) betreffen. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Stichtag 14. Februar 2014 (Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 5. Februar 2014 vgl. Umsatzsteuer-Aktuell 4/2014, II.) zu. Letztlich ist anzumerken, dass für Korrekturvereinbarungen und Vertragsergänzungen richtige Steuerklauseln zwingend erforderlich sind.

Gerne unterstützen wir Sie oder Ihren Steuerberater bei der Beurteilung und Argumentation gegenüber den Finanzämtern sowie der Formulierung von Vertragsanpassungen. Rufen Sie uns gerne an.


Ihr Team der

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Hamburg, 18. Juli 2014


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