Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 03/2015

Vermittler, Handelsvertreter und Verkaufsagenten aufgepasst! Die eigene Umsatzsteuer darf bei Weitergabe von Provisionsanteilen nicht vermindert werden.


Monetäre Anreize sind ein gängiges Mittel zur Gewinnung und Bindung von Kunden bzw. zur Ankurbelung des eigenen Geschäfts. Handelsvertreter oder andere Vermittler können dieses Ziel z.B. dadurch erreichen, dass sie einen Teil ihrer Vermittlungsprovision an den Käufer des vermittelten Produkts abgeben. Die damit verbundene Kürzung der eigenen Umsatzsteuer wird es zukünftig nicht mehr geben.

  1. Ausgangsfall

    Umsatzsteuer-Aktuell 03/2015

    Das Handelsunternehmen H verkauft Waren an den gewerblichen Kunden K. Die Umsätze werden durch den von H beauftragten V vermittelt. V erhält hierfür von H eine Provision in Höhe von 20%. Als Kaufanreiz vereinbart V mit K, ihm 10% des Kaufpreises für die Ware zu erstatten.

    Zwischen K und V besteht keine Leistungsbeziehung im umsatzsteuerlichen Sinne. Dessen ungeachtet führt die Beteiligung des K an der von V verdienten Vermittlungsprovision dazu, dass sich – wirtschaftlich betrachtet - für K der Einkaufspreis und für V die Provisionseinnahme reduziert. Insofern stellt sich die Frage, ob V eine Minderung der Umsatzsteuer geltend machen kann und K den Vorsteuerabzug reduzieren muss.


  2. Bisherige umsatzsteuerrechtliche Beurteilung

    Die Zahlung des V an K führte bisher zu einer Minderung der Umsatzsteuer aus der Vermittlungsleistung bei V. V musste also nur den Umsatz versteuern, den er nach Abzug der an K geleisteten Zahlungen behielt (595 € brutto). Für K reduzierte sich der Aufwand für den Erwerb der Ware entsprechend. Er musste daher seinen Vorsteuerabzug reduzieren (Bruttoeinkaufspreis 5.355 € = 5.950 ./. 595). Die Rechnungen zwischen den Beteiligten mussten nicht geändert werden.

    Die Zahlungsflüsse im Verhältnis zum Finanzamt aus dem Musterfall stellten sich wie folgt dar:

    Umsatzsteuer-Aktuell 03/2015


  3. Zukünftige umsatzsteuerrechtliche Behandlung

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der Rs. C-300/12 (Urteil vom 16. Januar 2014, Ibero-Tours GmbH) entschieden, dass außerhalb einer umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehung gewährte Erstattungen keine Auswirkungen auf die Umsatzsteuer haben. Begründet wird dies damit, dass für die Ermittlung der Umsatzsteuer bzw. des Vorsteuerabzugs auf den inneren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung abzustellen ist. Und wenn zwischen einem Vermittler und dem Empfänger der vermittelten Leistung keine Leistungsbeziehung besteht, haben Zahlungen zwischen diesen Parteien keine umsatzsteuerliche Konsequenz. Der Fall ist insofern abzugrenzen von solchen, in denen Preisnachlässe in mehrstufigen Lieferketten gewährt werden, vgl. hierzu das Urteil des EuGH in der Rs. C-317/94, Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs.

    Der Bundesfinanzhof (BFH) und die Finanzverwaltung haben sich der Auffassung des EuGH angeschlossen. Die Änderungen ergeben sich aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. Februar 2015. Für den Musterfall bedeutet dies Folgendes:

    • V kann die eigene Umsatzsteuer nicht (mehr) vermindern, wenn er einen Teil der von H erhaltenen Provision an den K abgibt.
    • K kann die volle Vorsteuer aus der Lieferung des H beanspruchen, muss also den Vorsteuerabzug nicht (mehr) korrigieren.

    Damit stellen sich die Zahlungsflüsse im Verhältnis zum Finanzamt jetzt wie folgt dar:

    Umsatzsteuer-Aktuell 03/2015

    Die Finanzverwaltung gewährt den Vermittlern für die Vergangenheit  eine Nichtbeanstandungsregelung bis zur Veröffentlichung der BFH-Urteile im Bundessteuerblatt. Hiermit ist nach unserer Einschätzung im März 2015 zu rechnen. Die Finanzverwaltung wird es nicht beanstanden, wenn die Vermittler ihre Bemessungsgrundlage vermindert haben. Für Umsätze, die nach der Veröffentlichung ausgeführt werden, kommt eine Korrektur nicht mehr in Betracht.


  4. Beurteilung und Empfehlung

    1. Vorsteuerabzugsberechtigte Kunden

      Gegenüber vorsteuerabzugsberechtigen Kunden ist zukünftig das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erreichbar, wenn der Vermittler den bisherigen Preisnachlass um die Umsatzsteuer vermindert. Im Musterfall würde V dem K nur noch den „Nettobetrag“ von 500 € auszahlen. Damit würde sich für den K wie nach der alten Rechtslage ein Nettoeinkaufspreis von 4.500 € ergeben.

      Für die Vergangenheit ergibt sich für zum Vorsteuerabzug berechtigte Kunden unseres Erachtens die Möglichkeit, die gekürzten Vorsteuerbeträge vom Finanzamt zurückzufordern. Sowohl die Gerichte als auch die Finanzverwaltung haben die neue rechtliche Beurteilung nicht auf zukünftige Fälle begrenzt. Die Kürzung des Vorsteuerabzugs ist nach der jetzigen Rechtslage zu Unrecht erfolgt und kann, soweit die Umsatzsteuerbescheide verfahrensrechtlich noch änderbar sind, wieder geltend gemacht werden. Sollte die Finanzverwaltung in diesen Fällen entgegen der Nichtbeanstandungsregelung die Umsatzsteuer von den Vermittlern nachfordern, könnten sie sich unseres Erachtens auf den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Abgabenordnung berufen. D.h. die Umsatzsteuer dürfte das Finanzamt nicht bei ihnen nacherheben. Zumindest sollte dies gelten, soweit die Umsatzsteuerjahreserklärung bereits abgeben ist. Hinsichtlich der Voranmeldungen ist der Vertrauensschutz strittig (vgl. Umsatzsteuer Aktuell 04/2014, III. Nr.2).

    2. Nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden - Privatkunden

      Evident ist, dass die Neuregelung zu einer umsatzsteuerlichen Mehrbelastung führt, wenn der Kunde nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (weil er Endverbraucher ist bzw. als Unternehmer wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze Abzugsbeschränkungen bei der Vorsteuer unterliegt). Denn auch in diesen Fällen konnte der Vermittler in der Vergangenheit die Umsatzsteuer reduzieren, zukünftig ist dies ausgeschlossen. Die nunmehr sich ergebende umsatzsteuerliche Mehrbelastung muss der Vermittler bei seinen Vereinbarungen mit Kunden einkalkulieren, sie wird entweder den Vermittler oder den Kunden treffen.

      Unseres Erachtens lassen die Urteile aber Gestaltungsspielräume dahingehend zu, dass bei angepassten Vereinbarungen eine Minderung der Umsatzsteuer doch wieder möglich sein könnte. 

Wir empfehlen allen Unternehmen aus den Bereichen Handel, Zentralregulier, Einkaufsverbände, Warenlieferanten und Vermittler ihre Geschäftsmodelle kritisch zu durchleuchten, um nicht im Nachhinein mit hohen Umsatzsteuerrückforderungen inklusive der Zinsbelastungen konfrontiert zu werden. Rufen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu Lösungsansätzen haben.


Ihr Team der
umsatz | steuer | beratung


Hamburg, März 2015

Dieser Beitrag ersetzt keine steuerliche Beratung und soll nur allgemein über steuerliche Themen informieren. Wir übernehmen daher keine Gewähr und somit keine Haftung für die Vollständigkeit und Aktualität sowie Richtigkeit der Inhalte und Darstellungen.