Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 04/2016

Ausweitung der Organschaft und mehr Vorsteuerabzug für Holdings

Der Vorsteuerabzug von Holdinggesellschaften sowie die umsatzsteuerliche Organschaft gehören zu den Dauerbaustellen im Umsatzsteuerrecht und sind regelmäßig Gegenstand von Feststellungen in Betriebsprüfungen. Zahlreiche Gerichtsurteile und Verwaltungsanweisungen können kaum Abhilfe schaffen, so dass nach wie vor große Unsicherheiten bestehen.

Nunmehr hat aber der Bundesfinanzhof – gestützt auf den Segen des Europäischen Gerichtshofs – zwei Pflöcke eingeschlagen, die die Konzernbesteuerung nachhaltig verändern werden. Abzuwarten bleibt, wie der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung reagieren, um die neuen Grundsätze im Umsatzsteuergesetz und im Anwendungserlass zu übernehmen.
  1. Eine Personengesellschaft kann umsatzsteuerliche Organgesellschaft sein

    Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann nur eine juristische Person als Organschaft fungieren. Dieser offensichtliche Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität wird – wie sich aus der Begründung des BFH-Urteils vom 2. Dezember 2015 (V R 25/13) lesen lässt - damit begründet, dass anders als bei der Kapitalgesellschaft die Gesellschafterstellung nicht unbedingt mit einer Beherrschung i.S.d. finanziellen Eingliederung einhergeht. Denn während bei der Kapitalgesellschaft die Beherrschung aus der Stimmrechtsmehrheit (mehr als 50%) resultiert, gilt bei Personengesellschaften grundsätzlich ein Einstimmigkeitserfordernis (§ 709 Bürgerliches Gesetzbuch). Der fünfte Senat des Bundesfinanzhofs kommt insofern zu dem Ergebnis, dass eine Personengesellschaft (nur) dann Organgesellschaft sein kann, wenn die anderen Gesellschafter (neben dem Organträger) ausschließlich Personen sind, die ebenfalls finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.

    Ist also – wie im nachfolgenden Beispiel – der Organträger (GmbH 1) zu 75% unmittelbar und zu 25 % mittelbar (über eine beherrschte GmbH 2) Gesellschafter der Personengesellschaft, ist letztere finanziell eingegliedert. Sind daneben auch die wirtschaftliche (enges wirtschaftliches Zusammenwirken / wirtschaftliche Verflechtung) und organisatorische (eine abweichende Willensbildung ist ausgeschlossen) Eingliederung gegeben, sind die Voraussetzungen für die umsatzsteuerliche Organschaft erfüllt.



  2. Vorsteuerabzug der Führungsholding

    Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn diese im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne stehen. Für Holdinggesellschaften besteht die Problematik darin, dass das Halten und Verwalten von Beteiligungen (sog. Finanzholding) keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Sinne darstellt. Erbringt eine Holdinggesellschaft hingegen Leistungen an Dritte bzw. an die Tochtergesellschaften (sog. Führungsholding), besteht grundsätzlich ein Recht auf Vorsteuerabzug.

    Spannend wird es u.a. dann, wenn Vorleistungen von einer Führungsholding bezogen werden, die letztlich (auch) ihre Funktion als Finanzholding betreffen. Dies gilt z.B. für Kosten im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften, an welche die Holding entgeltliche Leistungen erbringt bzw. zu erbringen beabsichtigt. Für diesen Fall hat der Bundesfinanzhof (Urteil vom 19. 1. 2016, XI R 38/12) nunmehr das Recht auf uneingeschränkten Vorsteuerabzug bestätigt. Denn die Verwaltung der Tochtergesellschaften (mittels entgeltlicher Geschäftsführungsleistungen) ist eine wirtschaftliche Tätigkeit.

    In dem erheblichen Missverhältnis zwischen dem Vorsteueraufwand und den aus der Geschäftsführung resultierenden (geringeren) Ausgangsumsätzen wurde kein Indiz für Gestaltungsmissbrauch gesehen. Weil aber die Holdinggesellschaft neben den (steuerpflichtigen) Erlösen aus Geschäftsführungsleistungen auch steuerfreie Zinseinnahmen aus der Kreditvergabe an die Tochtergesellschaften erzielte, kommt insoweit eine Versagung des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen in Betracht, sofern hinsichtlich der Zinsen nicht wirksam zur Steuerpflicht optiert wurde (§ 15 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz). Das Gericht hat hierzu ausgeführt, dass die Zinseinnahmen keine Erlöse aus Hilfsumsätzen i.S.d. § 43 Nr. 3 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung darstellen.

  3. Schlussfolgerungen und Empfehlung

    Für Konzernstrukturen ergeben sich aus den Urteilen zwei Prüfungsfelder:

    1. Sofern zum Unternehmensverbund Personengesellschaften gehören, sollte geprüft werden, ob nach den neuen Grundsätzen die Voraussetzungen für die Organschaft vorliegen oder nicht. Neben der finanziellen Eingliederung müssen auch die Kriterien der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung erfüllt sein. Weil die Organschaft sowohl Vor- als auch Nachteile hat, letztere betrifft u.a. die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organkreises, ist sorgfältig zu prüfen, wie die neuen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollten. Abzuwarten bleibt, wie die Urteilsgrundsätze durch Gesetzgeber und Finanzverwaltung umgesetzt werden, insbesondere im Hinblick auf die Frage der rückwirkenden Anwendbarkeit.

    2. Das Urteil zum Vorsteuerabzug der Holdinggesellschaft macht Hoffnung für alle Fälle, in denen bislang wegen unterstellter nichtwirtschaftlicher Tätigkeit eine Kürzung vorgenommen wurde oder droht. Noch nicht bestandskräftige Veranlagungen sollten diesbezüglich überprüft werden. Im Hinblick auf Finanzierungsbeziehungen zwischen Konzerngesellschaften ist zu prüfen, ob die Vorsteuerquote durch eine Option zur Steuerpflicht bei Zinsentgelten verbessert werden kann.
     
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April 2016

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