Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 07/2016

Einfuhrumsatzsteuer und Logistikunternehmen
Endlich Erleichterungen!

Soweit Waren aus dem Drittland nicht direkt in den zollrechtlich freien Verkehr, sondern in ein besonderes Verfahren (z.B. Versand- oder Zolllagerverfahren) überführt werden, übernehmen Logistikunternehmen (z.B. Spediteure, Frachtführer und Lagerhalter) zollrechtliche Pflichten und tragen dabei das Risiko der Entstehung von Zöllen und Einfuhrumsatzsteuern. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits entschieden, dass die Einfuhrumsatzsteuer für die Logistikdienstleister nicht abzugsfähig ist. Die aktuelle Entscheidung aus Juni 2016 dürfte mehr als ein Hoffnungsschimmer sein. Denn der EuGH entschied, dass unter bestimmten Umständen die Einfuhrumsatzsteuer trotz zollrechtlicher Pflichtverletzungen nicht entsteht. Durch dieses Urteil und die Heilungsmöglichkeiten nach dem neuen Unionszollkodex sollte die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuern durch die Zollverwaltung wesentlich erschwert werden.

  1. Problembeschreibung

    Soweit Waren aus dem Drittland in das Zollgebiet der Union gelangen, müssen diese in ein Zollverfahren überführt, d.h. es muss über deren zollrechtliche „Verwendung“ entschieden werden. Logistikunternehmen kommt diesbezüglich eine herausragende Position zu. Sie überführen im Rahmen der direkten oder indirekten Stellvertretung die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr, lagern sie in der vorübergehenden Verwahrung, in Zollläger oder führen sie einem anderen zollrechtlichen Verfahren zu. Sollte sich in einem Zollverfahren unter zollamtlicher Überwachung oder im Rahmen von Zollprüfungen herausstellen, dass Zollverfahren nicht korrekt abgewickelt wurden (z.B. Fehler bei den Aufzeichnungs- und Gestellungspflichten), gilt die Zollschuld im Zeitpunkt der Pflichtverletzung als entstanden und der Zoll setzt die Zölle und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) fest. Schuldner ist dann der Bewilligungsinhaber, das heißt der Verfahrensinhaber (z.B. Zolllagerbetreiber oder Spediteur). Dabei ist die EUSt (derzeit 7 oder 19 % auf den Warenwert) der wesentliche Betrag. Der EuGH hat aktuell folgende Sachverhalte zugunsten der Logistiker entschieden: 
    1. Zolllagerverfahren

      Ein Lagerhalter hat Waren aus dem Drittland im Zolllager eingelagert und sie dann im Auftrag des Kunden wieder ausgeführt. Die Zollprüfung stellte fest, dass die Entnahmen aus dem Zolllager verspätet aufgezeichnet wurden und hat aufgrund der Pflichtverletzung Zölle und EUSt beim Lagerhalter festgesetzt. Der EuGH hat entschieden, dass die Festsetzung von Zöllen zu Recht erfolgte, da es sich um Pflichtverletzungen gemäß Art. 204 Zollkodex handelte.

      Für die EUSt hingegen kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass diese nicht entstanden ist, da die Waren durchgehend einem zollrechtlichen Verfahren unterlagen und im Zeitpunkt der Feststellung der Pflichtverletzung bereits wieder ausgeführt waren.

    2. Externes Versandverfahren

      In dem gleichzeitig entschiedenen Parallelverfahren hatte es der Frachtführer im Rahmen des externen Versandverfahrens (T1-Verfahren) versäumt, die Ware innerhalb der vorgeschriebenen Frist bei der Ausfuhrzollstelle anzumelden. Daraufhin erließ die Zollbehörde einen Abgabenbescheid, in dem u. a. EUSt festgesetzt wurde.

      Auch hier kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Waren durchgehend einem Zollverfahren unterlagen und im Zeitpunkt der Feststellung der Pflichtverletzung bereits wieder ausgeführt waren. Somit liegt nach Auffassung des EuGH keine  Einfuhr i. S. d. Umsatzsteuerrechtes vor, das heißt, die EUSt ist nicht entstanden.

  2. Erste Einschätzung und Ausblick

    Für die EUSt gelten die Vorschriften für Zölle gemäß § 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) sinngemäß. Damit würde grundsätzlich bei Pflichtverletzungen i. S. d. Art. 79 Unionszollkodex (bisher Art. 202, 203 und 204 ZK) auch die EUSt zu erheben sein. Allerdings bestimmt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) u. a., dass für Waren, die zwar in das Gemeinschaftsgebiet gelangen, aber einem Zollverfahren unterliegen, die EUSt erst mit Beendigung dieser Zollverfahren entsteht. Werden Zollverfahren nicht korrekt umgesetzt und entsteht eine Zollschuld wegen dieser Pflichtverletzungen oder Handlungen, entsteht nach den Entscheidungen des EuGH nicht zwangsläufig die EUSt. Zumindest gilt dies nach Auffassung des EuGH, wenn die Waren im Zeitpunkt der Festsetzung der Zölle bereits wieder ausgeführt sind. Sollten sich die Waren zu diesem Zeitpunkt noch im Zollgebiet der Union befinden, gelten sie zollrechtlich als Unionswaren. Mithin würde in diesen Fällen grundsätzlich auch die EUSt entstehen.

    Allerdings sieht der Art. 124 des seit dem 1. Mai 2016 geltenden Unionszollkodex (UZK) Heilungsmöglichkeiten bei Verstößen i.S.d. Art. 79 UZK vor. Danach erlischt die Zollschuld, wenn der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, keine erheblichen Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens hatte. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Waren im Zeitpunkt der Feststellung des Verstoßes bereits zum freien Verkehr überlassen wurden.

    Für Unternehmen aus der Logistikbranche dürften sich die Risiken im Zusammenhang mit einer Zoll- und EUSt-Zahlung aufgrund einer Pflichtverletzung durch die EuGH Rechtsprechung und die neuen Regeln des UZK wesentlich verringern. Insbesondere das Liquiditätsrisiko durch die EUSt dürfte in vielen Fällen wegfallen.


Sollte der Zoll bei Ihnen Zölle und EUSt aufgrund von Pflichtverletzungen / Verstößen festsetzen wollen oder haben Sie eigene Fehler festgestellt, sehen wir gute Chancen für eine Vermeidung von Abgaben. Die Implementierung von internen Kontrollmechanismen bildet dabei die Voraussetzung, um die Heilungsmöglichkeiten des UZK nutzen zu können. Sprechen Sie uns gerne an.


Ihr Team der
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Juli 2016

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