Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 10/2014

Ohne Belegnachweis keine Umsatzsteuerbefreiung für Auslandslieferungen


Bei grenzüberschreitenden Lieferungen (Waren werden von Deutschland in das Ausland transportiert) müssen Sie als Unternehmer nachweisen, dass die Waren tatsächlich in das Ausland gelangt sind. Nur dann können die Umsätze von der Umsatzsteuer befreit werden. Die Praxis lehrt, dass die Nachweise häufig unvollständig oder fehlerhaft sind. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass eine Vielzahl von Unternehmen (Lieferant, Spediteur, Frachtführer usw.) einbezogen werden und der Beleg- und Informationsfluss  nicht lückenlos erfolgt.

Der Nachweis für Lieferungen in das Drittland (außerhalb der EU-Mitgliedsländer) muss in der Regel mit dem Ausgangsvermerk geführt werden. In Umsatzsteuer-Aktuell 04/2013 erhalten Sie einen Überblick  zu den von der Finanzverwaltung akzeptierten Belegnachweisen für innergemeinschaftliche Lieferungen in das EU-Ausland, insbesondere die Gelangensbestätigung. Dieser zunächst von der Praxis abgelehnte Belegnachweis stellt unseres Erachtens eine echte Alternative dar. Derjenige, der die Waren liefert, sollte die Form und den Inhalt der Bestätigung vorgeben und wäre damit nicht mehr auf die Belegdurchführung durch einen Dritten (z.B., Spediteur) angewiesen. Die Umsetzung kann voll elektronisch, z.B. per E-Mail oder online Zugriff erfolgen.

Sofern die Gelangensbestätigung nicht durchführbar ist, sind die folgenden Nachweise weiterhin anwendbar:
  • Frachtbriefe, z.B. CMR,
  • Spediteurbescheinigung
  • Versendungsprotokolle (Tracking-and-Tracing)
  • Posteinlieferungsschein
  • Spediteurversicherung
  • Sonstige, z.B., gemeinschaftliches Versandverfahren.
Die besonderen Anforderungen, die sich bei diesen Belegen stellen, soll das nachfolgend beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren verdeutlichen:

  1. Unvollständige Frachtbriefe (CMR) (BFH Az. V R 14/14 (Verfahren ist anhängig))

    In dem noch anhängigen Verfahren muss der BFH u.a. entscheiden, ob die Steuerfreiheit versagt werden kann, wenn u.a. das CMR falsch ausgefüllt worden ist. Im vorliegenden Sachverhalt hatte der liefernde Unternehmer das Feld 1 mit seinen Daten ausgefüllt, obwohl der Warenempfänger den Spediteur beauftragt hatte und somit Vertragspartner war.


    Umsatzsteuer-Aktuell 10/2014


    Ins Feld 1 des CMR muss der Auftraggeber des Frachtführers/Spediteurs eingetragen werden (vorliegend: der Käufer der Waren, da er den Spediteur beauftragt hat).

    Empfehlung
    Wir erwarten, dass der BFH das Vorliegen einer steuerfreien Lieferung in das europäische Ausland von einem vollständigen und richtig ausgefüllten CMR abhängig machen wird. Wenn dem so ist, rückt das CMR voraussichtlich verstärkt in den Fokus von Betriebsprüfungen. Wir empfehlen, die Belegnachweise sorgfältig zu prüfen. Sollten sie den Anforderungen nicht entsprechen,  raten wir zu prüfen, ob nicht doch die Gelangensbestätigung genutzt werden könnte.

Aber selbst bei vollständig vorliegendem Belegnachweis, kann die Umsatzsteuerbefreiung durch die Finanzverwaltung in Zweifel gezogen werden. Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht die Problematik:

  1. Belegnachweise und Vertrauensschutz (BFH, 25. April 2013, Az. V R 28/11)

    In dem entschiedenen Fall ging es (wieder einmal) um die Lieferung von PKW. Im Rahmen einer erstmaligen Geschäftsbeziehung war die gesamte Kommunikation lediglich mittels Mobiltelefon und Telefax geführt worden. Dem Verkäufer lag eine vom Geschäftsführer der erwerbenden Gesellschaft ausgestellte Vollmacht für den mit der Abholung Beauftragten und die qualifizierte Bestätigung der ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Erwerbers vor. Im Nachgang hat sich aber herausgestellt, dass der mit der Abholung Beauftragte seine wahre Identität mittels eines gefälschten Personalausweises verschleiert hat. Hieraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass auch der tatsächliche Erwerber nicht feststeht.

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass unabhängig von dem unstrittig geführten Belegnachweis die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen ist. Denn der Verkäufer hätte zweifeln müssen, wenn eine im Inland ansässige Gesellschaft mit ausländischer USt-IdNr. als Erwerber auftritt und der Kauf hochwertiger Wirtschaftsgüter bar bezahlt wird. Zwar  sieht das Umsatzsteuergesetz (UStG) vor, dass eine Lieferung in das Ausland auch dann steuerfrei ist, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen (sog. Vertrauensschutz). Allerdings muss der liefernde Unternehmer die Angaben des Leistungsempfängers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hinreichend genau geprüft und dokumentiert haben und im Zweifel „Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit“ anstellen. Tut er das nicht, handelt der Unternehmer bösgläubig.

    Empfehlung
    Insbesondere bei erstmaligen Geschäftsbeziehungen mit Lieferungen in das (europäische) Ausland ist Vorsicht geboten. Wie das BFH-Urteil zum einen verdeutlicht, muss sich der Lieferant über die tatsächliche Ansässigkeit des Erwerbers ein Bild verschaffen. Keinesfalls darf er sich nur auf Mobilfunk- und Faxnummern verlassen. Auch die qualifizierte Bestätigung der ausländischen USt-IdNr. lässt nicht zwingend auf eine Ansässigkeit im Ausland schließen.  Zum anderen verdeutlicht das BFH-Urteil, dass bei Abhollieferungen besondere Sorgfalt walten muss.

Fazit
Die beiden geschilderten Fälle verdeutlichen: Ohne ein Mindestmaß an eingespielten Verfahrensabläufen im Unternehmen bei der Führung der Nachweise für Exporte und innergemeinschaftliche Lieferungen besteht ein erhebliches Steuerrisiko. Wenn eine  spätere Korrektur nicht mehr möglich ist und auch der Vertrauensschutz nicht zum Tragen kommt, droht eine Nachversteuerung des betroffenen Umsatzes sowie eine Verzinsung der zusätzlichen Umsatzsteuerbeträge (6% je Kalenderjahr unter Berücksichtigung des 15-monatigen Karenzzeitraums). Zur Risikominimierung empfehlen wir, alle zuständigen Mitarbeiter (Vertrieb, Rechnungswesen) laufend zu schulen und Stichprobenprüfungen vorzunehmen.



Ihr Team der

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Hamburg, 14. Oktober 2014

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