Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 11/2014

Privatlehrer und Dozenten zukünftig umsatzsteuerfrei


Für alle freiberuflich tätigen Lehrer und Dozenten hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine erfreuliche Entscheidung getroffen. Sowohl die Lehrtätigkeit an Schulen und Hochschulen als auch die Aus- und Fortbildung kann ohne besondere Bescheinigung von der Umsatzsteuer befreit sein.
  1. Bisherige Auffassung in Deutschland

  2. Nach der bisherigen Auffassung in Deutschland wurde die Umsatzsteuerbefreiung in folgenden Fällen gewährt:

    1. Unterrichtsleistungen an Hochschulen und öffentlichen allgemein- oder berufsbildenden Schulen

      Freiberufliche Lehrer (nachfolgend Privatlehrer) erbringen an Hochschulen oder öffentlichen Schulen umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen. Die Leistungskette stellt sich grafisch wie folgt dar:





    2. Unterrichtsleistungen an privaten Schulen mit Bescheinigung der Landesbehörde

      Die Umsatzsteuerbefreiung der Privatlehrer gegenüber anderen Einrichtungen war davon abhängig, dass diese Einrichtungen eine Anerkennungsbescheinigung der Landesbehörde hatten und der Privatlehrer dies nachweisen konnte.

    3. Unterrichtsleistungen unmittelbar gegenüber den Schülern

      Soweit Privatlehrer unmittelbar Schüler unterrichten, war für sie selbst eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde erforderlich. Diese wurde nur erteilt, wenn der Unterricht auf einen Beruf oder auf eine Prüfung vor einer  öffentlich-rechtlichen Einrichtung vorbereitet hat. Die Leistungsbeziehungen stellen sich grafisch wie folgt dar:





  3. Neue Rechtsprechung durch den BFH

    Die unter I. dargestellten Umsatzsteuerbefreiungen standen unter dem Vorbehalt, dass eine öffentliche Schule oder eine Bescheinigung vorlag. Die Bescheinigung wurde aber nur erteilt, wenn die Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder auf eine Prüfung vor einer öffentlich rechtlichen Einrichtung vorbereitet haben. Diese Einschränkung hat der BFH durch sein Urteil vom 20. März 2014 – Az. V R 3/13 – aufgehoben. Er hat entschieden, dass Privatlehrer sich unabhängig von Bescheinigungsverfahren unmittelbar auf die Steuerbefreiungsvorschrift der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSyRL) beziehen können, sofern der Lehrinhalt nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat.

    Der BFH erweitert den Anwendungsbereich dieser Vorschrift über den eigentlichen Wortlaut hinaus und erfasst u. a. folgende Tätigkeiten:

    • Ausbildung im Rahmen der Schul- oder Hochschulausbildung,

    • Fortbildung oder berufliche Umschulung,

    • Supervisionen,

    • usw.

    Auch ist es nicht erforderlich, dass der Unterricht in einem Lehr- oder Studienplan eingebettet ist. Diese Voraussetzung hat die deutsche Finanzverwaltung bisher gestellt. Danach war eine Steuerbefreiung nur möglich, wenn die Tätigkeit für eine gewisse Dauer ausgeübt wurde. Mit dem nun vorliegenden Urteil können also auch Ein-Tages-Vorträge steuerbefreit werden.

    Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Juni 2007 – Rs. C-445/05, Haderer –, dass der Privatlehrer auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung tätig wird. Unseres Erachtens sind diese Anforderungen so auszulegen, dass Privatlehrer zum einen das Honorarrisiko tragen, das heißt, der Honoraranspruch besteht nur, wenn der Kurs auch stattfindet, und zum anderen die Ausbildungsmaßnahme eigenverantwortlich durchführen müssen, das heißt für Inhalt und Struktur verantwortlich sind.

    Hinsichtlich dieser beiden Voraussetzungen liegt allerdings noch keine eindeutige Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung vor. Fraglich sind insbesondere Konstellationen, wo der Privatlehrer nicht mit seinen Schülern, sondern mit einer Bildungsinstitution im Vertragsverhältnis steht. Grafisch stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:





    Diese Fälle sollten ggf. im Vorfeld mit dem Finanzamt abgestimmt werden.


  4. Zusammenfassung / Empfehlung

    Unserer Auffassung nach ist der Umfang der Umsatzsteuerbefreiung für selbstständig tätige Lehrer wesentlich erweitert worden. Allerdings sollte jeder Fall einzeln betrachtet und ggf. mit dem Finanzamt abgestimmt werden. Des Weiteren müssen die Auswirkungen auf eventuelle Vorsteuerabzüge mit einbezogen werden. Soweit die eigenen Umsätze umsatzsteuerbefreit würden, entfällt die Möglichkeit, Vorsteuerbeträge für Leistungsbezüge in Abzug zu bringen. Für Privatlehrer dürfte dies in meisten Fällen nicht abschreckend wirken, da in der Regel die vorsteuerbelasteten Aufwendungen überschaubar sind.

Ihr Team der

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Hamburg, 28. Oktober 2014

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