Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 05/2015

Einfuhrumsatzsteuer – Vorsteuerabzug Wer und Wann?


Der Unternehmer kann neben der Vorsteuer aus Eingangsrechnungen die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände als Vorsteuer geltend machen, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Aus aktuellem Anlass haben wir nachfolgend zusammengefasst, WER abzugsberechtigt ist und WANN der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann.


  1. Wer ist abzugsberechtigt?

    Auch für die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) gilt der Grundsatz, dass der Vorsteuerabzug nur vom Leistungsempfänger geltend gemacht werden kann. Häufig stellte sich in der Praxis die Frage, ob auch Logistikunternehmen, z.B. Spediteure, Lagerhalter oder Zolldeklaranten, zum Abzug der EUSt berechtigt sind. Das Finanzgericht Hamburg hat mit dem Urteil vom 19. Dezember 2012 entschieden, dass auch der Zolllagerinhaber zum Abzug der EUSt (die wegen zollrechtlicher Pflichtverletzungen im Lagerverfahren festgesetzt wurde) berechtigt sei. Begründet wurde die Entscheidung u.a. damit, dass die EUSt im Zusammenhang mit den besteuerten Umsätzen der Logistikdienstleistungen stünden. Im Revisionsverfahren hob der Bundesfinanzhof das Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen auf und die ließ die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung unbeantwortet.

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Urteil vom 25. Juni 2015 in einer vergleichbaren Angelegenheit abermals entschieden, dass der Vorsteuerabzug davon abhängig ist, dass die Kosten für die vorsteuerauslösenden Eingangsleistungen (Einkäufe von Waren und Dienstleistungen) in die Preise der eigenen Umsatzerlöse mit einfließen (Rs. C-187/14, DSV Road A/S). In dem zu entscheidenden Fall war die EUSt festgesetzt worden, weil Waren infolge einer Annahmeverweigerung durch den Kunden aus der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Das Gericht hat den Vorsteuerabzug des Spediteurs mit dem Hinweis verweigert, dass der Wert der beförderten Waren nicht in die Preiskalkulation für die vom Spediteur erbrachten Logistikleistungen einfließt.

    Damit dürfte die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigt sein, wonach der Vorsteuerabzug nur demjenigen zusteht, der im Zeitpunkt der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Wer die Steuer entrichtet bzw. schuldet, ist insoweit nicht von Bedeutung.

    Folglich steht der Abzug der EUSt nur einem in der Lieferkette stehendem Unternehmen zu. Logistikunternehmen sind davon ausgenommen.

  2. Wann ist die Einfuhrumsatzsteuer zum Abzug zu bringen?

    Noch vor zwei Jahren galt der Grundsatz, dass ein Abzug erst dann möglich ist, wenn die EUSt gezahlt worden ist. Mit Urteil vom 29. März 2012 (Rs. C-414/10, Veleclair) hat der EuGH allerdings entschieden, dass die EUSt im Zeitpunkt ihrer Entstehung zum Abzug zu bringen ist. Denn „das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“. Maßgeblich ist also der zeitliche Gleichlauf von Umsatzsteuer und Vorsteuer.

    Infolge des EuGH-Urteils wurde § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz mit Wirkung zum 30. Juni 2013 entsprechend angepasst. Maßgeblich für die Vornahme des Vorsteuerabzugs ist seit dem ausschließlich der Zeitpunkt der Entstehung der EUSt. Nach den zollrechtlichen Bestimmungen entsteht die EUSt in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird. Diese Information ergibt sich aus dem Einfuhrabgabenbescheid, dessen Vorliegen ohnehin für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs Voraussetzung ist. Mithin ist der Vorsteuerabzug in dem Monat vorzunehmen, auf den der Abgabenbescheid datiert. Ein Wahlrecht, den Vorsteuerabzug auch einem späteren Voranmeldezeitraum zuzuordnen, wird vom Bundesfinanzhof ausdrücklich verneint (Urteil vom 13. Februar 2014, V R 8/13).

  3. Schlussfolgerungen

    Die Neuregelung zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs für die EUSt ist zu begrüßen, führt sie doch zum zeitlichen Gleichlauf zwischen Steuer und Vorsteuer. Eine Cash-Flow-Belastung lässt sich insofern weitgehend reduzieren bzw. vermeiden. Aus der Zuordnung des Vorsteuerabzugs zum Monat der Entstehung der EUSt resultiert aber auch das Risiko, dass die EUSt zu spät abgezogen wird. Dies soll an dem nachfolgenden Beispiel verdeutlicht werden:

    Zollanmeldung vom:
    29. Dezember 2013
    Zahlung der EUSt (an den Spediteur):   
    10. Januar 2014
    Vorsteuerabzug:
    Voranmeldung Januar 2014
    Betriebsprüfung bis:
    31. Dezember 2013 (bestandskräftig)

    Der Vorsteuerabzug wurde im falschen Jahr (2014 geltend gemacht. Sollte dieser Umstand festgestellt werden, nachdem die Festsetzung für 2013 nicht mehr änderbar ist, droht der endgültige Verlust des Vorsteuerabzugs. Ein Vorsteuerabzug in 2013 käme aufgrund der Bestandskraft der Bescheide nicht mehr in Betracht. Folglich würde das Unternehmen in der Regel mit 19 % auf die Einkaufspreise zzgl. Nachzahlungszinsen belastet.

    Sofern ein Aufschubkonto genutzt wird, ist zu beachten, dass das Buchungsdatum auf dem Aufschubkonto nicht zwingend dem Datum der Zollanmeldung entspricht. Nach unseren Erfahrungen ist es möglich, dass Zollabfertigungen am 30. oder 31. eines Monats erst im Folgemonat auf dem Aufschubkonto gebucht werden. Wir empfehlen daher, insbesondere die ersten Januar-Buchungen auf dem Aufschubkonto zu überprüfen (Abgleich mit den Zolldokumenten)!

    Die Entscheidung des EuGH, dass Logistikunternehmen die EUSt nicht abziehen dürfen, ist bedauerlich. Sie hat eine große praktische Relevanz, da z.B. Zolllagerinhaber oder Spediteure und Fuhrunternehmen, die Versandverfahren nutzen, mit Nacherhebungen belastet werden, wenn Zollverfahren nicht regelkonform abgeschlossen werden. Die Bereitschaft der Übernahme der EUSt durch die Kunden der Logistiker ist häufig gering oder eine Nachbelastung ist nicht möglich, weil das Unternehmen des Kunden nicht mehr existiert (z.B. infolge Insolvenz). In diesem Fall ist das Logistikunternehmen definitiv mit der EUSt belastet, im besten Fall entstehen „nur“ Beratungskosten für die Abwehrberatung.

    Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Das Finanzgericht Hamburg hat dem EuGH die Frage vorlegt, ob als Schuldner der EUSt nur derjenige in Anspruch genommen werden kann, der den Gegenstand für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, d.h. derjenige der die Verfügungsmacht in der Lieferkette innehat. Damit kämen die Logistikdienstleister als originäre Schuldner nicht mehr in Betracht (allenfalls als Haftungsschuldner). Das Verfahren ist beim EuGH anhängig. Wir werden Sie über das Ergebnis in Kenntnis setzen.

    Rufen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu Lösungsansätzen haben.


Ihr Team der
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Hamburg, Juli 2015

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