Nesemann Steuerberatung

Umsatzsteuer-Aktuell 08/2016

Reverse-Charge-Verfahren bei Betriebsvorrichtungen?

Bauleistungen (also Arbeiten an Bauwerken) unterliegen dem Reverse-Charge-Verfahren, wenn auch der Leistungsempfänger Bauunternehmer ist. In Bezug auf Betriebsvorrichtungen hatte der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28. August 2014 zwar entschieden, dass diese keine Bauwerke im Sinne des § 13b UStG sind. Hierauf hatte das Bundesfinanzministerium allerdings mit Schreiben vom 28. Juli 2015 mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (vgl. hierzu unser Mandantenrundschreiben 7/2015). Durch das Steueränderungsgesetz 2015 erfolgte dann mit Wirkung ab 6. November 2015 eine Anpassung des § 13b UStG, indem Betriebsvorrichtungen in den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens mit aufgenommen wurden. Diese Neuregelung war nunmehr Anlass für ein weiteres Schreiben des Bundesfinanzministeriums zur Überarbeitung des Anwendungserlasses.


  1. Rückblick: Gesetzliche Neuregelung mit Wirkung zum 6. November 2015

    Gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) gilt das Verfahren der Steuerschuldumkehr (reverse charge) seit 2004 u.a. für Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, wenn der Leistungsempfänger selbst nachhaltig solche Leistungen erbringt. 

    Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurde ergänzt, dass als Grundstücke im Sinne der Vorschrift auch „Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen“ gelten, „die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.“ Diese Anpassung ist die Reaktion auf das eingangs genannte Urteil des Bundesfinanzhofs, weil eine abweichende Behandlung von Arbeiten an Betriebsvorrichtungen zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Mangels gesonderter Übergangsregelung trat diese Neuerung bereits einen Tag nach Veröffentlichung des Gesetzes, also am 6. November 2015 in Kraft.

    Die Erweiterung des Grundstücksbegriffs bzw. des Begriffs der Bauleistung führt dazu, dass nicht mehr nur Arbeiten am Grundstück bzw. Gebäude in den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens fallen, sondern auch Arbeiten betreffend Einbauten und andere Betriebsvorrichtungen. In weiten Teilen entspricht die Neuregelung der schon bislang geltenden Auffassung der Finanzverwaltung, wonach auch folgende Leistungen als Bauleistungen im Sinne der Reverse-Charge-Regelung anzusehen sind (Abschnitt 13b.2 (5) UStAE):

    • Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen sowie die Errichtung von Dächern und Treppenhäusern;
    • Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind und der gelieferte Gegenstand nicht ohne größeren Aufwand mit dem Bauwerk verbunden oder vom Bauwerk getrennt werden kann,
    • Werklieferungen großer Maschinenanlagen, die zu ihrer Funktionsfähigkeit aufgebaut werden müssen,
    • Werklieferungen von Gegenständen, die aufwändig in oder an einem Bauwerk installiert werden müssen.


  2. Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlass

    Die Anpassung im Anwendungserlass durch das BMF-Schreiben vom 10. August 2016 betrifft zwei Bereiche:

    Erstens wird in Abschnitt 3a.3 (2) UStAE der Begriff des Grundstücks angepasst. Demnach zählen als Grundstück auch „Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.“

    Zweitens wird in Abschnitt 13b.1 (2)  Nr. 6 UStAE der Begriff der Bauleistungen um die Arbeiten in Bezug auf „Sachen, Ausstattungsgegenständen und Maschinen“ ergänzt, die nicht ohne „erhebliche“ Veränderung des Bauwerks bewegt werden können. In Abschnitt 13b.2 (1) UStAE wird klargestellt, dass der erweiterte Grundstücksbegriff (s.o.) mit dem für das Reverse-Charge-Verfahren maßgeblichen Begriff des Bauwerks deckungsgleich ist.


  3. Beurteilung und praktische Bedeutung

    Mit der Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und der Ergänzung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses wird mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen herbeigeführt, nachdem der Bundesfinanzhof durch sein Urteil in 2014 vorübergehend für Verwirrung gesorgt hatte, weil die Abgrenzung zwischen Gebäude und Betriebsvorrichtung nicht immer eindeutig ist. Nunmehr gilt in beiden Bereichen das Reverse-Charge-Verfahren, wenn auch der Leistungsempfänger nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt. Letzteres ist durch die Bescheinigung UST 1 TG nachzuweisen, die nunmehr auch von Unternehmen beantragt werden kann, die im Bereich des Einbaus und der Wartung von Betriebsvorrichtungen tätig sind.

    Gleichwohl bleibt das Reverse-Charge-Verfahren die Ausnahme von der Regel, wonach die Umsatzsteuer grundsätzlich vom Leistenden geschuldet wird. Im Rahmen der neuen Regelung wird sich die Diskussion um den Anwendungsbereich der Regelung zur Steuerschuldumkehr darum drehen,  wann ein Gegenstand derart installiert ist, dass er nur mit nicht unerheblicher Veränderung am Gebäude bewegt werden kann.

    Zu erwähnen ist, dass die Regelungen im BMF-Schreiben für  Umsätze anzuwenden sind, die nach dem 5. November 2016 ausgeführt worden sind. Dies verdeutlicht, dass die Überarbeitung im Anwendungserlass auch aus Sicht der Finanzverwaltung nicht nur als Klarstellung zu verstehen ist.

    Die Einbeziehung von Arbeiten an Betriebsvorrichtungen und vergleichbaren Einbauten in den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens hat sowohl für die Auftraggeber als auch für die Auftragnehmer eine große Bedeutung. Denn bekanntlich ist eine unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar, während die irrtümliche Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens eine Steuernachforderung beim Leistenden nach sich zieht. Die Praxis wird zeigen, wie die Unternehmen mit den neuen Abgrenzungskriterien zukünftig zurechtkommen.

    Gerne unterstützen wir Sie zu diesen Fragen.

Ihr Team der
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Hamburg, September 2016

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